Winnenden-Urteil teilweise aufgehoben

BGH hat Winnenden-Urteil wegen eines Verfahrensfehlers teilweise aufgehoben

BGH Beschluss vom 22. März 2012 – 1 StR 359/11

Das Landgericht Stuttgart hatte den Vater des Amokläufers von Winnenden am 10. Februar 2011 wegen tateinheitlich begangener fahrlässiger Tötung in 15 Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen und wegen eines Waffendelikts zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dagegen hatte der Angeklagte Revision eingelegt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts Stuttgart hatte der 17 Jahre alte Sohn des Angeklagten am 11. März 2009 insgesamt 15 Personen erschossen und weitere 14 Personen durch Schüsse verletzt. Die meisten Opfer waren Schülerinnen, Schüler und Lehrerinnen der Albertville-Realschule in Winnenden. Der Amoklauf endete, als sich der Sohn selbst erschoss. Die Tatwaffe und die Munition stammten aus dem Besitz des Angeklagten, einem Sportschützen. Sein Sohn hatte die Waffe und die Munition, die der Angeklagte unverschlossen aufbewahrt hatte, unbemerkt an sich gebracht. Der Sohn war zudem psychisch auffällig, was der Vater wusste. Bei einer von den Eltern veranlassten ambulanten Behandlung in einer psychiatrischen Klinik berichtete der Sohn gegenüber der Therapeutin von Tötungsfantasien. Darüber unterrichtete diese die Eltern. Der Empfehlung, den Sohn ambulant weiter zu betreuen, kamen die Eltern nicht nach, obwohl sich dessen Zustand wieder verschlechterte. Gleichwohl ermöglichte der Angeklagte seinem Sohn in der Folge Schießübungen in einem Schützenverein. Auf diese Umstände hat das Landgericht den Fahrlässigkeitsvorwurf gestützt; die Tat seines Sohnes sei für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar gewesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts auf eine Verfahrensrüge des Angeklagten aufgehoben. Mit dieser Rüge wurde beanstandet, dass die Verteidigung eine Belastungszeugin nicht befragen konnte.

Das Landgericht hat der – auf Bitte der Polizei tätigen – ehrenamtlichen Betreuerin der Familie des Amokläufers, die als Zeugin vernommen wurde, rechtsfehlerhaft ein Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt. Die Betreuerin war über drei Verhandlungstage hinweg vernommen worden. Am ersten Tag bekundete sie, der Angeklagte habe ihr gesagt, er sei von der Klinik auch über die Tötungsfantasien seines Sohnes informiert worden. Dieses Wissen um die Tötungsfantasien war für den Fahrlässigkeitsvorwurf des Landgerichts besonders bedeutsam. Anders als die übrigen Verfahrensbeteiligten konnte die Verteidigung die Betreuerin an diesem Tag jedoch nicht mehr befragen. Am zweiten Vernehmungstag verlas die Betreuerin eine von ihr vorbereitete schriftliche Erklärung, mit der sie ihre Aussage widerrief. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung ein. Deswegen billigte ihr das Landgericht für die weitere Vernehmung ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO (danach muss sich ein Zeuge wegen von ihm begangener Straftaten nicht selbst belasten) zu. Am dritten Vernehmungstag bestätigte die Betreuerin zwar ihre erste Aussage, weitere Angaben machte sie im Hinblick auf das Auskunftsverweigerungsrecht aber nicht mehr. Die Verteidigung hatte deshalb auch am zweiten und dritten Vernehmungstag keine Möglichkeit, die Betreuerin zu befragen.

Bei der Prüfung, ob der Betreuerin ein Auskunftsverweigerungsrecht zustand, hat das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Zeugin schon durch die Anfertigung der von ihr verlesenen Erklärung eine versuchte Strafvereitelung begangen habe. Dies ist rechtsfehlerhaft. Erst mit der Verlesung der Erklärung vor Gericht bei ihrer Zeugenvernehmung hat die Betreuerin gegebenenfalls eine Strafvereitelung versucht. Für Straftaten, die ein Zeuge erst durch seine Vernehmung begeht, besteht jedoch bis zum Abschluss der Vernehmung kein Auskunftsverweigerungsrecht. Die Betreuerin wäre also weiter zur Aussage verpflichtet gewesen und hätte auch Fragen der Verteidigung beantworten müssen. Dieser Verfahrensfehler musste zur Aufhebung des Urteils führen. Der Bundesgerichtshof hat allerdings die Feststellungen zum Amoklauf selbst aufrechterhalten, so dass hierzu insbesondere keine Zeugen mehr gehört werden müssen.

Für die neue Hauptverhandlung hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass der Angeklagte sich auch dann wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger Körperverletzung strafbar gemacht haben kann, wenn ihm die Tötungsfantasien seines Sohnes nicht bekannt waren. Sollte er nämlich – wie bislang festgestellt – entgegen der Empfehlung der Klinik nicht für die Weiterbehandlung des Sohnes gesorgt und ihm dessen ungeachtet sogar Schießübungen im Schützenverein ermöglicht haben, könnte dies den Fahrlässigkeitsvorwurf rechtfertigen.

Zudem hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass allein schon der Verstoß gegen die spezifischen waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten den Vorwurf der Fahrlässigkeit für Straftaten begründen kann, die voraussehbare Folge einer ungesicherten Verwahrung sind.

BGH Beschluss vom 22. März 2012 – 1 StR 359/11

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 10. Februar 2011 – 18 KLs 112 Js 21 916/09

Rechtsanwalt Michael Erath
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Fußgänger stellt sich Motorradfahrer in den Weg

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 15.10.2012 – 12 U 819/11

Nach Aussage eines Zeugen stand der Fußgänger mitten auf dem nur 2,40 Meter schmalen Schotterweg. Der Motorradfahrer sah zwar den mit der Faust drohenden und sichtlich aufgeregten Mann, versuchte aber dennoch an dem Fußgänger rechts vorbeizufahren, weil er keinen Ärger wollte. Der Fußgänger machte aber einen Schritt Richtung Motorrad und es kam zur Kollision.

Dabei verletzte sich der Fußgänger das rechte Schienenbein und erlitt eine rechtsseitige Rippenfraktur im hinteren seitlichen Bereich des Brustkorbs. Ein Verletzungsbild, das nach Feststellung eines Gutachters in allen Details den vom Zeugen geschilderten Unfallhergang belegt. Während der betroffene Fußgänger jedoch behauptet, fernab von der Fahrspur in der Böschung gestanden zu haben. Weshalb ihn auch keinerlei Mitschuld an dem Malheur träfe.

 Stellt sich auf einem Feldweg ein Fußgänger vor ein heranfahrendes Motorrad und will es am Vorbeifahren hindern, trifft dem Fußgänger eine hälftige Mitschuld, wenn es zur Kollision kommt. Selbst wenn das Motorrad gar nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen war.

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Ladungssicherung

Der Verlader ist für die verkehrssichere Verstauung der Ladung verantwortlich.

Der § 22 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verlangt, dass Ladung so zu verstauen und zu sichern ist, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen kann. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik (z. B. VDI-Richtlinien 2700 ff) zu beachten.

Die VDI-Richtlinienreihe VDI 2700 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“ gilt seit vielen Jahren als anerkanntes Grundlagenwerk der Ladungssicherung. In ihr wird beschrieben, welche Kräfte auf eine Ladung im Fahrbetrieb einwirken und wie Ladung grundsätzlich auf Straßenfahrzeugen gesichert werden kann.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit seinem Beschluss vom 27.12.1982 zu § 22 StVO entschieden, dass neben dem Fahrer auch der Verlader für die verkehrssichere Verstauung der Ladung verantwortlich ist.

Als Verlader ist hier der „Leiter der Ladearbeiten“ und für Gefahrgutbeförderungen die „Beauftragte Person des Verladers“ anzusehen, also die Person, die berechtigt ist, eigenverantwortliche Entscheidungen im Bereich der Verladung zu treffen.

Liegt keine spezielle einzelvertragliche Regelung vor, greift die Verantwortung des Vorgesetzten bis hin zur Geschäftsleitung. Das bedeutet, dass die Geschäftsleitung für die Ladungssicherung verantwortlich ist, wenn sie die Verantwortung nicht auf eine nachgeordnete Personen übertragen hat.

Der Verlader ist nach dem Gesetz zur Ladungssicherung verpflichtet. Die Verantwortung kann er nicht auf den Fahrer übertragen!

Die Verantwortung der Ladungssicherung liegt beim Fahrer, Halter und beim Verlader. Verstöße können im Bereich der Ordnungswidrigkeit  mit Bußgeldern in Höhe von 50 bis 150 Euro und 1 bis 3 Punkten im Verkehrsregister bestraft werden.

Eine Straftat (z. B. Verkehrsunfall mit Personenschaden) wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet.

Die VDI-Richtlinienreihe VDI 2700 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“ gilt seit vielen Jahren als anerkanntes Grundlagenwerk der Ladungssicherung. In ihr wird beschrieben, welche Kräfte auf eine Ladung im Fahrbetrieb einwirken und wie Ladung grundsätzlich auf Straßenfahrzeugen gesichert werden kann.

Die Richtlinien werden bei Überwachungsmaßnahmen der Verkehrspolizei, aber auch bei Streitfällen vor Gericht herangezogen.

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Berechnung der Nutzlast bei einem Sattelkraftfahrzeug Überladung vermeiden

Anwendungsbereich von § 34 Abs. 6 Nr. 6 StVZO (Überladung)

Erklärung:
Bei einem Sattelkraftfahrzeug handelt es sich um eine Fahrzeugkombination, die aus einer Sattelzugmaschine und einem Sattelanhänger (auch Sattelauflieger genannt) besteht. Wichtig ist, das keine Überladung vorliegt.

Eine Sattelzugmaschine ohne Sattelanhänger gilt als Zugmaschine.

Bei einer Sattelzugmaschine ohne eigene Transportfläche handelt es sich nicht um einen Lkw.

Erweiterung des Anwendungsbereich von § 34 Abs. 6 Nr. 6 StVOZ
Erklärung des Begriffs des „nächstgelegenen geeigneten Bahnhofs“

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 1. Alt. der 53. Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVZO AusnV 53) darf abweichend von § 34 Abs. 6 Nr. 6 StVZO u. a. das zulässige Gesamtgewicht bei Fahrzeugkombinationen (Züge und Sattelkraftfahrzeuge) mit mehr als vier Achsen unter Beachtung der Vorschriften für Achslasten und Einzelfahrzeuge bei Fahrten im kombinierten Verkehr Schiene/Straße zwischen Be- oder Entladestelle und nächstgelegenem geeigneten Bahnhof 44,00 t nicht überschreiten. Vorsicht Überladung möglich!!

Damit wird der Anwendungsbereich von § 34 Abs. 6 Nr. 6 StVZO von Sattelkraftfahrzeugen, bestehend aus dreiachsiger Sattelzugmaschine mit zwei- oder dreiachsigem Sattelanhänger, die im kombinierten Verkehr im Sinne der Richtlinie 92/106/EWG einen ISO-Container von 40 Fuß befördern, auf die vorgenannten Fahrzeugkombinationen mit mehr als vier Achsen, die sonstige Container und Wechselbehälter bis maximal 40 Fuß im kombinierten Verkehr befördern, erweitert.

Dabei ist der Begriff des nächstgelegenen geeigneten Bahnhofs nach objektiven Kriterien zu bestimmen.

Auf die individuellen Verhältnisse des Fahrzeugführers oder des Transportunternehmens kommt es dagegen nicht an.

OLG Naumburg
Beschluß vom 15.04.2010
AZ: 1 Ss (Bz) 14/09

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Überladung, Sattelkraftfahrzeug

Lenkzeiten und Ruhezeiten

Lenk- un Ruhezeiten für gewerblichen Güter- und Personenverkehr

Die Lenk- und Ruhezeiten für Fahrer von Fahrzeugen mit einer zulässigen Höchstmasse einschließlich Anhänger von über 3,5 t im gewerblichen Güter- oder Personenverkehr sind innerhalb der Europäischen Gemeinschaft in der Verordnung (EG) 561/2006 geregelt.
In Deutschland werden durch die Fahrpersonalverordnung (FPersV) bereits Fahrzeuge ab 2,8 t erfasst. Die Fahrpersonalverordnung verweist auf die Regeln der Verordnung (EG) 561/ 2006. Hier ein Ausschnitt der geltenden Regelung. Diese Informationen ersetzen keine anwaltliche Beratung da die Rechtslage sehr kompliziert ist.

Lenkzeit
Die Lenkzeit darf ohne Fahrtunterbrechung 4,5 Stunden nicht überschreiten. Spätestens nach 4,5 Stunden Lenkzeit muss der Fahrer deshalb eine Fahrtunterbrechung von mindestens 45 Minuten einhalten.

Tageslenkzeit
Die Tageslenkzeit darf neun Stunden nicht überschreiten, zweimal pro Kalenderwoche darf sie jedoch auf zehn Stunden ausgedehnt werden.

Wochenlenkzeit
Die Wochenlenkzeit darf höchstens 56 Stunden betragen. Die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen darf 90 Stunden nicht überschreiten.

Tägliche Ruhezeit
Die regelmäßige tägliche Ruhezeit umfasst mindestens 11 Stunden.
Dauert sie mindestens 9, aber keine 11 Stunden, handelt es sich um eine reduzierte tägliche Ruhezeit. Der Fahrer muss innerhalb jedes 24-Stunden-Zeitraumes eine tägliche Ruhezeit einlegen. Der 24-Stunden-Zeitraum braucht nicht mit dem Kalendertag identisch zu sein. Die tägliche Ruhezeit kann dreimal zwischen zwei wöchentlichen Ruhezeiten auf 9 Stunden verkürzt werden, ohne dass die verkürzte Zeit nachgeholt werden müsste.

Wöchentliche Ruhezeit
Die wöchentliche Ruhezeit sollte zusammenhängend 45 Stunden nach 6×24 Stunden nach der letzten wöchentlichen Ruhezeit betragen.
Die wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden kann auf 24 Stunden verkürzt werden. Jede Verkürzung ist durch eine zusammenhängende Ruhezeit auszugleichen, die vor Ende der auf die betreffende Woche folgenden dritten Woche zu nehmen ist.
Bei der Splittung der wöchentlichen Ruhezeit auf 2×24 Stunden ist jedoch zu beachten, daß die zweite Ruhezeit von 24 Stunden nur dann anerkannt wird, wenn diese in direktem Anschluß an eine neunstündige Ruhezeit genommen wird.

Bei Zwei-Fahrer-Besatzung muss jeder Fahrer eine Tagesruhezeit von mindestens 9 Stunden innerhalb von 30 Stunden nach dem Ende einer täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit einlegen. Hier sind keine Aufteilungen oder Verkürzungen innerhalb der Ruhe- und Lenkzeiten gestattet.

Verstößt ein Fahrer gegen die höchstzulässigen Lenkzeiten, so kann nicht nur gegen ihn selbst, sondern auch gegen das Unternehmen, bei dem er beschäftigt ist, oder gegen die dort handelnden Personen ein Bußgeld oder eine Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt werden.

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