BGH bestätigt nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht

Bundesgerichtshof bestätigt nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht

BGH 1 StR 37/13 – Beschluss vom 5. März 2013

Der Verurteilte war durch das Landgericht Regensburg mit Urteil vom 29. Oktober 1999 wegen Mordes – begangen zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und um eine andere Straftat zu verdecken – zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Dieser Anlassverurteilung lag zu Grunde, dass der Verurteilte im Alter von 19 Jahren im Juni 1997 eine 31-jährige Joggerin auf einem Waldweg in der Absicht, sie unter massiver Gewaltanwendung zu vergewaltigen und anschließend zu töten, überfallen hatte. Als sein Opfer reglos am Boden lag, nahm er von seinem Vergewaltigungsvorhaben Abstand, legte den Genitalbereich der bereits toten oder im Sterben liegenden Frau frei und onanierte bis zum Samenerguss auf sie, um dadurch Macht über sein Opfer auszuüben.

Der Verurteilte hat die Jugendstrafe bis zum 17. Juli 2008 vollständig verbüßt. Seit dem 18. Juli 2008 ist er einstweilig in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Das Landgericht hatte mit Urteil vom 22. Juni 2009 nachträglich die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Verurteilten hatte der Bundesgerichtshof diese Anordnung mit Urteil vom 9. März 2010 bestätigt.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 4. Mai 2011 die bezeichneten Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

Nach den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat das Landgericht mit Urteil vom 3. August 2012 die Voraussetzungen der nachträglichen Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung erneut geprüft und eine solche wiederum angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts gestützte Revision des Verurteilten hat der Bundesgerichtshof nunmehr mit Beschluss vom 4. März 2013 verworfen, da keine Verfahrensfehler vorliegen und materielles Recht nicht verletzt wurde.

Damit ist die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung rechtskräftig.

BGH 1 StR 37/13 – Beschluss vom 5. März 2013

Landgericht Regensburg – Urteil vom 3. August 2012 – NSV 121 Js 17 270/1998 jug.
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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BGH hat Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung aufgehoben

Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung in zwei Verfahren aufgehoben

1. BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 465/12

Das Landgericht München I hat den 64jährigen Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in Tatmehrheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht abgesehen.

Nach den Feststellungen lud der bereits vielfach wegen Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern vorbestrafte Angeklagte am 25. Mai 2011 an einem See die damals vierjährige Geschädigte zu einer Fahrt mit seinem Schlauchboot ein. Das Mädchen bestieg mit Erlaubnis ihrer Mutter das Boot. Auf der Mitte des Sees stellte der Angeklagte das Rudern ein und entblößte sein Geschlechtsteil. Auf seine Aufforderung hin umfasste die Geschädigte das erigierte Glied des Angeklagten und nahm daran für kurze Zeit Auf- und Ab-Bewegungen vor. Zum Tatzeitpunkt stand der Angeklagte wegen vorausgegangener Sexualstraftaten unter Führungsaufsicht; ihm war durch gerichtlichen Beschluss für die Dauer von fünf Jahren die Weisung erteilt worden, sich nicht an Orten, die erfahrungsgemäß von Kindern frequentiert werden, insbesondere nicht an Spiel- und Sportplätzen, Kindergärten und Schulen im Umkreis von 50 Metern sowie in Badeanstalten und auf Volksfesten aufzuhalten.

Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht damit begründet, dass bei dem Angeklagten zwar ein Hang bestehe, Sexualstraftaten gegen Kinder zu begehen, und dass von ihm auch in Zukunft weitere derartige Taten zu erwarten seien. Eine hochgradige Gefahr bestehe jedoch nur für weniger schwere, der verfahrensgegenständlichen Tat vergleichbare Sexualdelikte; die Gefahr schwerer Sexualdelikte sei bei dem Angeklagten deutlich geringer ausgeprägt. Dies genüge nicht den strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die bis zu einer Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung Weitergeltung der gesetzlichen Regelungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgestellt habe.

Auf die wirksam auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Umfang der Anfechtung aufgehoben. Die Nichtanordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat aufgrund eines fehlerhaften Maßstabes, den das Landgericht der Beurteilung der Gefährlichkeit zugrunde gelegt hatte, der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten.

Damit ist das Urteil im Schuld- und Strafausspruch rechtskräftig, das nun zuständige Tatgericht muss aber erneut über die Frage der Anordnung in der Sicherungsverwahrung entscheiden.

2. BGH, Urteil und Beschluss vom 19. Februar 2013 – 1 StR 275/12

Das Landgericht Regensburg hat den 49 Jahre alten Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen unter Einbeziehung anderweitig rechtskräftig gewordener Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in sieben Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Daneben hat es ihn zur Zahlung von Schadensersatz- und Schmerzensgeld verurteilt.

Hierzu hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte im Frühsommer 2003 sowie zwischen dem 13. März 2007 und März 2010 drei Mädchen – die jüngste war sechs bis sieben Jahre alt – sexuell missbrauchte. In einem Fall führte er vaginalen Geschlechtsverkehr durch, einmal führte er Finger in die Scheide ein und in einem weiteren Fall veranlasste er die Geschädigte dazu, seinen Penis in den Mund zu nehmen und ihn mittels Bewegungen zu stimulieren. In den anderen Fällen versuchte er, mit seinem Glied in die Scheide – in einem Fall auch in den After – einzudringen, was ihm aber wegen mangelhafter Erektion angesichts der anatomischen Besonderheiten bei den noch jungen Mädchen nicht gelang. Das Landgericht hat auf Einzelfreiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und drei Jahren neun Monaten für die Taten erkannt.

Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen zur Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB aF als erfüllt angesehen und einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Taten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 aF StGB angenommen. Es hat trotz der für erheblich eingeordneten Anlasstaten und einer vom Sachverständigen festgestellten deutlich erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit die Anordnung der Maßregel nicht für geboten erachtet, da sich die Gefährlichkeit des Angeklagten durch verschiedene Umstände relativiere.

Die gegen das Urteil eingelegte Revision des Angeklagten hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom heutigen Tage verworfen.

Auf die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat das Urteil des Landgerichts mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist. Denn die vom Landgericht zugrunde gelegte Gefährlichkeitsprognose war lückenhaft und beruhte auf einem unzutreffenden Maßstab. Im Übrigen ist die Revision verworfen worden.

Auch dieses Urteil ist damit im Schuld- und Strafausspruch rechtskräftig, so dass nun nur noch über die Frage der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erneut zu entscheiden ist.

§ 66 Abs. 1 StGB

Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die

a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,

b) unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder

c) den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,

2. der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,

3. er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und

4. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.


Quelle Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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